Vaclav Klaus a Evropa (v nemcine)
Text pro DIE WELT
“Meine europäische Identität ist nicht sehr stark”
Vaclav Klaus auf Werbetour in Deutschland für sein kritisches Europabild
Von Hans-Jörg Schmidt
Prag, 8.1.2011 - Der begeisterte Skifahrer Vaclav Klaus hatte sich einst auch bei einem
Amerika-Besuch die Bretter untergeschnallt. Als ihn ein junger Amerikaner auf
der Piste fragte, woher er denn komme, antwortet Klaus für seine Verhältnisse
sehr ungewöhnlich: “Aus Europa.” Klaus meinte, sicher nicht zu Unrecht, mit dem
Begriff “Tschechische Republik” wisse der Amerikaner womöglich nichts
anzufangen.
Als “Europäer” sieht sich der tschechische Präsident in Wahrheit erst an letzter
Stelle: “Ich bin ein Prager, ein Tscheche, auch ein Mitteleuropäer. Diese drei
Identitäten sind stärker als die europäische. Diese wird von den Eurokraten in
Brüssel künstlich gefördert. Authentisch ist das nicht.“
Diese Haltung durchzieht alle Auftritte, Interviews und Vorträge, die von Klaus
in den vergangenen Jahren zum Thema Europa nachzulesen waren. Jetzt liegt eine
Sammlung deutschsprachiger Texte dazu vor, die in den Jahren 2005 bis 2010
entstanden. Klaus wird das Buch am kommenden Donnerstag (13.1.) im Marmorsaal
der Nürnberger Akademie vorstellen. Schon im Buchtitel wird der Tenor deutlich:
Er lautet nicht nur “Europa”. Klaus hat hinter “Europa” ein dickes Fragezeichen
gesetzt.
Dass der Prager Burgherr in vielem, was den Kontinent betrifft, eine andere
Auffassung hat als die meisten seiner Kollegen in anderen europäischen Ländern,
wurde am sichtbarsten, als es um den EU-Reformvertrag von Lissabon ging.
Natürlich bereitete es dem 69-Jährigen auch Vergnügen, mit seiner Unterschrift
alle anderen bis zum Schluss warten zu lassen; das gehört zu seinem ausgeprägten
Ego. Aber es wäre zu kurz gegriffen, Klaus auf diese narzistische Haltung zu
reduzieren. Den Präsidenten treibt tatsächlich die Angst vor einem “immer
engeren Europa” um, einem Europa “auf der Grundlage des Supranationalismus”. Und
die Angst davor, dass der “tschechische Würfelzucker im europäischen Kaffee”
einfach so aufgelöst werden könnte. Und - so muss man hinzufügen - dass er
selbst damit als nationaler Präsident weiter an Einfluss verlieren würde.
Klaus verfolgt ein anderes Europabild: eines, in dem die souveränen nationalen
Regierungen der souveränen Nationalstaaten zusammenarbeiten. Er unterscheidet
zwischen der “Unifizierung”, wie sie von Brüssel und den “EU-Fanatikern”
betrieben werde, sprich einer politischen Integration, und der von ihm
bevorzugten “Marktintegration”, der freiheitsstärkenden Liberalisierung, der
Öffnung. Vor der politischen Integration habe er “wirklich Angst”. Lissabon
bedrohe Freiheit und Prosperität.
Skeptisch, um es vorsichtig zu formulieren, steht Klaus auch dem Euro gegenüber.
Auch in dieser Hinsicht ist seine Einstellung seit langem konsistent, was ihm -
in diesem konkreten Fall - den Beifall nahezu aller Tschechen einträgt. Die
hängen dem Präsidenten gläubig an den Lippen, wenn er das derzeitige Desaster in
Griechenland und anderswo anspricht und drei Kreuze schlägt, weil Tschechien
sich - nicht zuletzt seiner eigenen ökonomischen Weitsicht - seine Krone bislang
bewahrt habe. Für Klaus ist die Währungsunion “formal gescheitert”. Eine
Währungsunion, sagt er, “hat ökonomischer und politische Voraussetzungen. In
Deutschland waren vor zwanzig Jahren die ökonomischen Bedingungen nicht gegeben,
aber sehr wohl die politischen, denn die Deutschen wollten wieder in einem Staat
leben. In Europa gibt es ähnliche politische Voraussetzungen nicht.”
Klaus treibt die große Sorge um, dass die derzeitige Euro-Krise ausgenutzt wird,
um die “Unifizierung” noch weiter voranzutreiben. Es sei bereits zu viel
politisch in des Euro-Projekt investiert worden, um es jetzt scheitern zu
lassen. “Aber die Kosten dafür werden sehr hoch sein.“ Dazu zählt Klaus eine
europaweite Regulierung der Finanzmärkte, wie Deutschland und Frankreich sie
wollen, die er jedoch strikt ablehnt.
Spätestens beim Thema “Solidarität” mit den Euro-Wackelkandidaten kann Klaus
auch auf Einverständnis der deutschen Leser seines “Europa”-Buches hoffen: Es
gibt derzeit nur eine Lösung - den Transfer von Steuergeldern aus anderen
Ländern der Währungsunion. “Aber”, so fügt er hinzu, “warum sollen die deutschen
Steuerzahler Griechenland subventionieren? Das ist eine ganz legitime Frage.“
Dass Klaus bei seinem Nürnberg-Besuch nicht nur sein im Augsburger
Context-Verlag erschienenes Europa-Buch vorstellt, sondern auch mit Honoratioren
der Stadt und der Region zusammentreffen wird, gehört zum üblichen Protokoll
einer solchen Visite. Regionale Zusammenarbeit oder gar die in Euroregionen,
sind eigentlich nicht sein Ding. Sie passen nicht in sein Bild vom
nationalstaatlich geprägten Kontinent.
“Meine europäische Identität ist nicht sehr stark”
Vaclav Klaus auf Werbetour in Deutschland für sein kritisches Europabild
Von Hans-Jörg Schmidt
Prag, 8.1.2011 - Der begeisterte Skifahrer Vaclav Klaus hatte sich einst auch bei einem
Amerika-Besuch die Bretter untergeschnallt. Als ihn ein junger Amerikaner auf
der Piste fragte, woher er denn komme, antwortet Klaus für seine Verhältnisse
sehr ungewöhnlich: “Aus Europa.” Klaus meinte, sicher nicht zu Unrecht, mit dem
Begriff “Tschechische Republik” wisse der Amerikaner womöglich nichts
anzufangen.
Als “Europäer” sieht sich der tschechische Präsident in Wahrheit erst an letzter
Stelle: “Ich bin ein Prager, ein Tscheche, auch ein Mitteleuropäer. Diese drei
Identitäten sind stärker als die europäische. Diese wird von den Eurokraten in
Brüssel künstlich gefördert. Authentisch ist das nicht.“
Diese Haltung durchzieht alle Auftritte, Interviews und Vorträge, die von Klaus
in den vergangenen Jahren zum Thema Europa nachzulesen waren. Jetzt liegt eine
Sammlung deutschsprachiger Texte dazu vor, die in den Jahren 2005 bis 2010
entstanden. Klaus wird das Buch am kommenden Donnerstag (13.1.) im Marmorsaal
der Nürnberger Akademie vorstellen. Schon im Buchtitel wird der Tenor deutlich:
Er lautet nicht nur “Europa”. Klaus hat hinter “Europa” ein dickes Fragezeichen
gesetzt.
Dass der Prager Burgherr in vielem, was den Kontinent betrifft, eine andere
Auffassung hat als die meisten seiner Kollegen in anderen europäischen Ländern,
wurde am sichtbarsten, als es um den EU-Reformvertrag von Lissabon ging.
Natürlich bereitete es dem 69-Jährigen auch Vergnügen, mit seiner Unterschrift
alle anderen bis zum Schluss warten zu lassen; das gehört zu seinem ausgeprägten
Ego. Aber es wäre zu kurz gegriffen, Klaus auf diese narzistische Haltung zu
reduzieren. Den Präsidenten treibt tatsächlich die Angst vor einem “immer
engeren Europa” um, einem Europa “auf der Grundlage des Supranationalismus”. Und
die Angst davor, dass der “tschechische Würfelzucker im europäischen Kaffee”
einfach so aufgelöst werden könnte. Und - so muss man hinzufügen - dass er
selbst damit als nationaler Präsident weiter an Einfluss verlieren würde.
Klaus verfolgt ein anderes Europabild: eines, in dem die souveränen nationalen
Regierungen der souveränen Nationalstaaten zusammenarbeiten. Er unterscheidet
zwischen der “Unifizierung”, wie sie von Brüssel und den “EU-Fanatikern”
betrieben werde, sprich einer politischen Integration, und der von ihm
bevorzugten “Marktintegration”, der freiheitsstärkenden Liberalisierung, der
Öffnung. Vor der politischen Integration habe er “wirklich Angst”. Lissabon
bedrohe Freiheit und Prosperität.
Skeptisch, um es vorsichtig zu formulieren, steht Klaus auch dem Euro gegenüber.
Auch in dieser Hinsicht ist seine Einstellung seit langem konsistent, was ihm -
in diesem konkreten Fall - den Beifall nahezu aller Tschechen einträgt. Die
hängen dem Präsidenten gläubig an den Lippen, wenn er das derzeitige Desaster in
Griechenland und anderswo anspricht und drei Kreuze schlägt, weil Tschechien
sich - nicht zuletzt seiner eigenen ökonomischen Weitsicht - seine Krone bislang
bewahrt habe. Für Klaus ist die Währungsunion “formal gescheitert”. Eine
Währungsunion, sagt er, “hat ökonomischer und politische Voraussetzungen. In
Deutschland waren vor zwanzig Jahren die ökonomischen Bedingungen nicht gegeben,
aber sehr wohl die politischen, denn die Deutschen wollten wieder in einem Staat
leben. In Europa gibt es ähnliche politische Voraussetzungen nicht.”
Klaus treibt die große Sorge um, dass die derzeitige Euro-Krise ausgenutzt wird,
um die “Unifizierung” noch weiter voranzutreiben. Es sei bereits zu viel
politisch in des Euro-Projekt investiert worden, um es jetzt scheitern zu
lassen. “Aber die Kosten dafür werden sehr hoch sein.“ Dazu zählt Klaus eine
europaweite Regulierung der Finanzmärkte, wie Deutschland und Frankreich sie
wollen, die er jedoch strikt ablehnt.
Spätestens beim Thema “Solidarität” mit den Euro-Wackelkandidaten kann Klaus
auch auf Einverständnis der deutschen Leser seines “Europa”-Buches hoffen: Es
gibt derzeit nur eine Lösung - den Transfer von Steuergeldern aus anderen
Ländern der Währungsunion. “Aber”, so fügt er hinzu, “warum sollen die deutschen
Steuerzahler Griechenland subventionieren? Das ist eine ganz legitime Frage.“
Dass Klaus bei seinem Nürnberg-Besuch nicht nur sein im Augsburger
Context-Verlag erschienenes Europa-Buch vorstellt, sondern auch mit Honoratioren
der Stadt und der Region zusammentreffen wird, gehört zum üblichen Protokoll
einer solchen Visite. Regionale Zusammenarbeit oder gar die in Euroregionen,
sind eigentlich nicht sein Ding. Sie passen nicht in sein Bild vom
nationalstaatlich geprägten Kontinent.