Resümee Seehofer v Praze
Text pro Sächsische Zeitung Dresden
Von Schmidt-Prag, für Ausland
Seehofer in Prag
20.12.2010
Ein guter Anfang
Bayern und Tschechien gehen aufeinander zu
Von Hans-Jörg Schmidt
Prag - Angespannt wirken sie nach ihrem Vieraugengespräch in Prag - Tschechiens Premier Petr Necas und Bayerns Regierungschef Horst Seehofer. Necas, weil er eine formidable Regierungskrise am Hals hat und nebenbei auch noch den wohl schwierigsten Staatsgast, den man sich denken kann - den bayerischen Premier, der erste in Prag seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Seehofer, weil er unter besonderem Erwartungsdruck der Nachkriegs-Vertriebenen steht. Die hoffen darauf, dass er die Benesch-Dekrete zu Fall bringt, die dafür sorgten, dass sie nur mit nur ein paar Kilo Gepäck unfreiwillig ihre Heimat verlassen mussten.
So wie Necas den Tag als Regierungschef überlebt, wird Seehofer den Hoffnungen der Vertriebenen zumindest ein Stück weit gerecht. Er spricht unter vier Augen mit dem tschechischen Premier die “menschliche Dimension” der Vergangenheit an. Die Sudetendeutschen werden das als Erfolg verbuchen. Im Kern jedoch werden sich beide Spitzenpolitiker einig, dass man trotz unterschiedlicher Bewertung der Vergangenheit in die Zukunft sehen sollte.
Necas nennt später vor der Presse gute Gründe dafür: 30 Prozent der tschechischen Exporte nach Deutschland etwa gehen nach Bayern. Das ist der deutschlandweite Spitzenwert. Und er stimmt mit Seehofer überein, dass noch mehr kleine und mittelständische Unternehmen von der Grenzlage profitieren müssten. Viele andere praktische Probleme werden diskutiert. Seehofer verspricht mehr “Transparenz”, was die Kontrollen tschechischer Autofahrer auf Bayerns Straßen angeht. Er bringt gemeinsame Kontrollen deutscher und tschechischer Polizisten ins Gespräch, was Necas nachdrücklich begrüßt. Der wiederum verspricht, die Nachbarn eingehend über alles zu informieren, was mit dem geplanten Ausbau der Atomkraftwerks Temelin zusammenhängt. Kurzum: Normalität zwischen Nachbarn, wie sie seit langem etwa zwischen Tschechien und Sachsen üblich ist.
Zwischen Bayern und Tschechien gab es dies bislang auf höchster politischer Ebene aber nicht. Dagegen standen die Dinge aus der Vergangenheit, vor allem die kollektive Vertreibung der Sudetendeutschen aus ihrer Heimat im heutigen Tschechien. Dennoch, so Seehofer vor der Presse, sei der Begriff “Benesch-Dekrete” nicht ein einziges Mal in den Gesprächen gefallen. Das ehrt vor allem ihn, der sich damit als Realpolitiker an der Moldau präsentierte. Seehofer spricht später vom “Sensibelsten und Schwierigsten in seiner politischen Laufbahn”.
Die als “historisch” stilisierte Begegnung soll nunmehr Normalität werden. Necas nahm eine Einladung nach München an. Seehofer will dem Vernehmen nach im kommenden Frühjahr mehr als nur Prag besuchen. Von Lidice und Theresienstadt ist dabei die Rede, Orten mithin, die für die Tschechen eine besondere Bedeutung aus der Zeit der NS-Besetzung Böhmens und Mährens haben. Am Ende des Tages fragten sich viele Beobachter, weshalb es 65 Jahre nach Kriegsende bedurfte, um solch einen Besuch der “Normalität” zustande zu bringen. Aber, so meinte ein tschechischer Journalistenkollege vorsichtig, man sollte erst die nächsten Begegnungen abwarten. Will heißen, dass manche nach der langen Zeit der Sprachlosigkeit zwischen Bayern und Tschechien dem neuen Frieden noch nicht so richtig trauen.
ENDE
Sächsische Zeitung Dresden, Neuer Tag Weiden a jine, 21.12.2010
Von Schmidt-Prag, für Ausland
Seehofer in Prag
20.12.2010
Ein guter Anfang
Bayern und Tschechien gehen aufeinander zu
Von Hans-Jörg Schmidt
Prag - Angespannt wirken sie nach ihrem Vieraugengespräch in Prag - Tschechiens Premier Petr Necas und Bayerns Regierungschef Horst Seehofer. Necas, weil er eine formidable Regierungskrise am Hals hat und nebenbei auch noch den wohl schwierigsten Staatsgast, den man sich denken kann - den bayerischen Premier, der erste in Prag seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Seehofer, weil er unter besonderem Erwartungsdruck der Nachkriegs-Vertriebenen steht. Die hoffen darauf, dass er die Benesch-Dekrete zu Fall bringt, die dafür sorgten, dass sie nur mit nur ein paar Kilo Gepäck unfreiwillig ihre Heimat verlassen mussten.
So wie Necas den Tag als Regierungschef überlebt, wird Seehofer den Hoffnungen der Vertriebenen zumindest ein Stück weit gerecht. Er spricht unter vier Augen mit dem tschechischen Premier die “menschliche Dimension” der Vergangenheit an. Die Sudetendeutschen werden das als Erfolg verbuchen. Im Kern jedoch werden sich beide Spitzenpolitiker einig, dass man trotz unterschiedlicher Bewertung der Vergangenheit in die Zukunft sehen sollte.
Necas nennt später vor der Presse gute Gründe dafür: 30 Prozent der tschechischen Exporte nach Deutschland etwa gehen nach Bayern. Das ist der deutschlandweite Spitzenwert. Und er stimmt mit Seehofer überein, dass noch mehr kleine und mittelständische Unternehmen von der Grenzlage profitieren müssten. Viele andere praktische Probleme werden diskutiert. Seehofer verspricht mehr “Transparenz”, was die Kontrollen tschechischer Autofahrer auf Bayerns Straßen angeht. Er bringt gemeinsame Kontrollen deutscher und tschechischer Polizisten ins Gespräch, was Necas nachdrücklich begrüßt. Der wiederum verspricht, die Nachbarn eingehend über alles zu informieren, was mit dem geplanten Ausbau der Atomkraftwerks Temelin zusammenhängt. Kurzum: Normalität zwischen Nachbarn, wie sie seit langem etwa zwischen Tschechien und Sachsen üblich ist.
Zwischen Bayern und Tschechien gab es dies bislang auf höchster politischer Ebene aber nicht. Dagegen standen die Dinge aus der Vergangenheit, vor allem die kollektive Vertreibung der Sudetendeutschen aus ihrer Heimat im heutigen Tschechien. Dennoch, so Seehofer vor der Presse, sei der Begriff “Benesch-Dekrete” nicht ein einziges Mal in den Gesprächen gefallen. Das ehrt vor allem ihn, der sich damit als Realpolitiker an der Moldau präsentierte. Seehofer spricht später vom “Sensibelsten und Schwierigsten in seiner politischen Laufbahn”.
Die als “historisch” stilisierte Begegnung soll nunmehr Normalität werden. Necas nahm eine Einladung nach München an. Seehofer will dem Vernehmen nach im kommenden Frühjahr mehr als nur Prag besuchen. Von Lidice und Theresienstadt ist dabei die Rede, Orten mithin, die für die Tschechen eine besondere Bedeutung aus der Zeit der NS-Besetzung Böhmens und Mährens haben. Am Ende des Tages fragten sich viele Beobachter, weshalb es 65 Jahre nach Kriegsende bedurfte, um solch einen Besuch der “Normalität” zustande zu bringen. Aber, so meinte ein tschechischer Journalistenkollege vorsichtig, man sollte erst die nächsten Begegnungen abwarten. Will heißen, dass manche nach der langen Zeit der Sprachlosigkeit zwischen Bayern und Tschechien dem neuen Frieden noch nicht so richtig trauen.
ENDE
Sächsische Zeitung Dresden, Neuer Tag Weiden a jine, 21.12.2010