Seehofer v Praze (v nemcine)
Komentar pro General-Anzeiger Bonn
Schafft Seehofer den Sprung auf den Aussöhnungszug?
Von Hans-Jörg Schmidt
Sachsens Ministerpräsidenten waren immer gern gesehene Gäste in Prag. Kurt Biedenkopf gehört zu den persönlichen Freunden Vaclav Havels. Georg Milbradt erfreute sich mehrerer auch privater Begegnungen mit Vaclav Klaus. Stanislaw Tillich - als Sorbe des Tschechischen mächtig - plaudert mit Prager Spitzenpolitikern gar in deren Sprache. Beide Seiten wissen um die schwierige Vergangenheit zwischen Deutschen und Tschechen, sparen sie in den Gesprächen auch nicht aus, lenken ihr Hauptaugenmerk aber auf das Gemeinsame und auf die Zukunft.
Erst wenn man sich das hervorragende Einvernehmen zwischen Prag und Dresden klar macht, wird so richtig deutlich, wie bizarr andersartig die politischen Beziehungen bislang zwischen Prag und München waren. 65 Jahre sind seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vergangen, und in all diesen Jahrzehnten hat es keinen offiziellen Besuch eines bayerischen Ministerpräsidenten im benachbarten (!) Tschechien gegeben. Auch nicht nach 1989 und dem mutigen, von vielen Tschechen scharf kritisierten Versuch Vaclav Havels, den mehrheitlich in Bayern lebenden vertriebenen Sudetendeutschen die Hand zur Versöhnung zu reichen. Sowohl die Sudetendeutschen als auch ihr politischer Schirmherr, die bayerische Staatsregierung, schlugen seinerzeit diese Hand aus, wollten mehr und verpokerten sich dabei. Die Vertriebenen sahen lange nur ihr eigenes schlimmes Schicksal und nicht auch das, was Hitlerdeutschland - auch im Verbund mit den Sudetendeutschen - den Tschechen angetan hatte. Eine Bitte um Vergebung dafür ließ lange, allzu lange auf sich warten. Für die Hardliner in Prag war das eine Steilvorlage, den Revanchismusvorwurf ihrer kommunistischen Vorgänger gegenüber den Sudetendeutschen auch unter demokratischen Verhältnissen weiter zu pflegen. Beide Seiten kommunizierten nicht miteinander, sondern nur lautsprecherisch über die Medien.
Am Streit um die Sudetendeutschen scheiterte Edmund Stoiber, der es fertig brachte, die Nachbarn 14 Jahre mit Nichtachtung zu strafen. Wegen der - zweifellos untragbaren - Benesch-Dekrete stimmten die CSU-Abgeordneten im Europaparlament als einzige gegen den Beitritt Tschechiens zur EU. Eine Langzeitfolge dessen bekommt jetzt der CSU-Abgeordente und Sprecher der Sudetendeutschen, Bernd Posselt, zu spüren. Der gehört zwar zur offiziellen Delegation Seehofers, muss sich aber beim Gespräch mit Tschechiens Premier Petr Necas mit dem Katzentisch begnügen.
Glücklicherweise entwickelte sich unterhalb der großen politischen Ebene eine enge praktische Zusammenarbeit. In den gemeinsamen Euroregionen funktioniert das Zusammenleben, lernen Schüler die Sprache der Nachbarn, arbeiten Wirtschaftskammern wie Kirchensprengel prächtig zusammen, löschen selbst Feuerwehrleute Brände jenseits der Grenze. Die Tschechen arbeiten ihre eigene, nicht ruhmvolle Geschichte der Mordtaten an Sudetendeutschen auf, ohne dass es dazu Aufforderungen aus Bayern bedurfte.
Wenn im Zusammenhang mit dem Seehofer-Besuch jetzt von einem “Ende der Eiszeit” gesprochen wird, so stimmt das nur für die hohe politische Ebene. In den Niederungen des Alltags ist das Eis längst geschmolzen. Seehofer muss nur noch auf den Zug der Aussöhnung aufspringen, den andere in Fahrt gebracht haben. Wenn er mit Augenmaß verhandelt und die Empfindlichkeiten der Tschechen beachtet, könnte ihm das gelingen. Klugerweise hätte er sich vorab in Sachsen Rat geholt, wie man in Prag Freunde und Partner findet.
General-Anzeiger Bonn, 20.12.2010
Schafft Seehofer den Sprung auf den Aussöhnungszug?
Von Hans-Jörg Schmidt
Sachsens Ministerpräsidenten waren immer gern gesehene Gäste in Prag. Kurt Biedenkopf gehört zu den persönlichen Freunden Vaclav Havels. Georg Milbradt erfreute sich mehrerer auch privater Begegnungen mit Vaclav Klaus. Stanislaw Tillich - als Sorbe des Tschechischen mächtig - plaudert mit Prager Spitzenpolitikern gar in deren Sprache. Beide Seiten wissen um die schwierige Vergangenheit zwischen Deutschen und Tschechen, sparen sie in den Gesprächen auch nicht aus, lenken ihr Hauptaugenmerk aber auf das Gemeinsame und auf die Zukunft.
Erst wenn man sich das hervorragende Einvernehmen zwischen Prag und Dresden klar macht, wird so richtig deutlich, wie bizarr andersartig die politischen Beziehungen bislang zwischen Prag und München waren. 65 Jahre sind seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vergangen, und in all diesen Jahrzehnten hat es keinen offiziellen Besuch eines bayerischen Ministerpräsidenten im benachbarten (!) Tschechien gegeben. Auch nicht nach 1989 und dem mutigen, von vielen Tschechen scharf kritisierten Versuch Vaclav Havels, den mehrheitlich in Bayern lebenden vertriebenen Sudetendeutschen die Hand zur Versöhnung zu reichen. Sowohl die Sudetendeutschen als auch ihr politischer Schirmherr, die bayerische Staatsregierung, schlugen seinerzeit diese Hand aus, wollten mehr und verpokerten sich dabei. Die Vertriebenen sahen lange nur ihr eigenes schlimmes Schicksal und nicht auch das, was Hitlerdeutschland - auch im Verbund mit den Sudetendeutschen - den Tschechen angetan hatte. Eine Bitte um Vergebung dafür ließ lange, allzu lange auf sich warten. Für die Hardliner in Prag war das eine Steilvorlage, den Revanchismusvorwurf ihrer kommunistischen Vorgänger gegenüber den Sudetendeutschen auch unter demokratischen Verhältnissen weiter zu pflegen. Beide Seiten kommunizierten nicht miteinander, sondern nur lautsprecherisch über die Medien.
Am Streit um die Sudetendeutschen scheiterte Edmund Stoiber, der es fertig brachte, die Nachbarn 14 Jahre mit Nichtachtung zu strafen. Wegen der - zweifellos untragbaren - Benesch-Dekrete stimmten die CSU-Abgeordneten im Europaparlament als einzige gegen den Beitritt Tschechiens zur EU. Eine Langzeitfolge dessen bekommt jetzt der CSU-Abgeordente und Sprecher der Sudetendeutschen, Bernd Posselt, zu spüren. Der gehört zwar zur offiziellen Delegation Seehofers, muss sich aber beim Gespräch mit Tschechiens Premier Petr Necas mit dem Katzentisch begnügen.
Glücklicherweise entwickelte sich unterhalb der großen politischen Ebene eine enge praktische Zusammenarbeit. In den gemeinsamen Euroregionen funktioniert das Zusammenleben, lernen Schüler die Sprache der Nachbarn, arbeiten Wirtschaftskammern wie Kirchensprengel prächtig zusammen, löschen selbst Feuerwehrleute Brände jenseits der Grenze. Die Tschechen arbeiten ihre eigene, nicht ruhmvolle Geschichte der Mordtaten an Sudetendeutschen auf, ohne dass es dazu Aufforderungen aus Bayern bedurfte.
Wenn im Zusammenhang mit dem Seehofer-Besuch jetzt von einem “Ende der Eiszeit” gesprochen wird, so stimmt das nur für die hohe politische Ebene. In den Niederungen des Alltags ist das Eis längst geschmolzen. Seehofer muss nur noch auf den Zug der Aussöhnung aufspringen, den andere in Fahrt gebracht haben. Wenn er mit Augenmaß verhandelt und die Empfindlichkeiten der Tschechen beachtet, könnte ihm das gelingen. Klugerweise hätte er sich vorab in Sachsen Rat geholt, wie man in Prag Freunde und Partner findet.
General-Anzeiger Bonn, 20.12.2010